Erdbeerkuchen mit Sahne gereicht, wir stürzen uns auf frisches KartoffelBrot mit Butter! Vor dem heranjagenden Gewitter.
Diesmal scheppert der Wecker schon um 5 Uhr, wollen uns mit den Anderen in Ulan Bator, der mit minus 2,5° Durchschnittstemperatur
kältesten Hauptstadt der Welt, treffen. Das positiv romantische Gefühl, das wir zur Mongolei bisher hatten, wird gnadenlos erschüttert durch eine Stadt, deren jetzige Ausgestaltung innerhalb weniger Jahre explosionartig und scheinbar ungeplant entstanden ist. In den Randzonen und sogar
weit ins Zentrum hinein ist es dreckig, heruntergekommen, unattraktiv, städtebaulich
katastrophal. Die Stadtrundfahrt kann diesen Eindruck
auch nicht bessern. Wir wundern uns über so wenig
Gespür für die wenigen Relikte wie z. B. die Buddha-Statue, die über der Stadt thront – direkt vor modernen Neubauten und Kränen. Oder fast noch schlimmer ist die einzige Tempelanlage inmitten der Neustadt, einem superteuren Wohnbezirk. Leider erfahren wir von unserer Reiseführerin kaum etwas zur Stadt, vielleicht gibt es ja nichts…? Der Zentralplatz bietet am Eingang zum Parlamentsgebäude eine Dschingis Khan-Statue, zwei ältere Gebäude und ein Reiterdenkmal, was ich alles gar nicht fotografieren möchte. Interessant für mich ist einzig der besonders gekleidete Mann, der ein religiöses Oberhaupt zu sein scheint. Die Menschen drängen sich um ihn, um ihm nah zu sein, die Hand zu schütteln und ein kleines
goldenes Gefäß zu küssen. Alle sind fein gekleidet, es duftet nicht nach Schweiß, sondern
nach feinstem MongoleiParfum und Waschpulver. Wenn wir so an uns runterschauen, dann erkennen wir Tevas, schwarze Füße ohne Geruch und irgendwie Kleidung. Zum Glück gibt’s doch keinen GeruchsBlog. Schon mittags sind wir zurück am Auto, kramen, lesen und ruhen. Der abendliche Besuch in einem Restaurant mit mongolischem Barbecue ist eine echte Genussveranstaltung. Nicht nur, dass es eine riesige Auswahl an bereits fertig zubereiteten Gerichten gibt, man kann auch Fleisch und Gemüse in ein Schälchen füllen und dem Koch übergeben, der dies auf einer speziellen Grillplatte inklusive einer spektakulären LangeMesserShowEinlage brät. Allen schmeckt’s, ich hab’ Magenkrimmen und halte mich zurück, wie ärgerlich vernünftig.
Kaffeetrinken, Zähneputzen, Losfahren. Besser kann’s gar nicht laufen. Wir kreuzundqueren die MolochStadt, aus zwei Spuren macht der gemeine Ulan Batorase ansich problemlos vier, Ampeln? Quatsch!, welche Funktion hat der Polizist in der Mitte der Straße? Hitten, dem Heizer, ist nochmal eindringlich eingetrichtert worden, defensiv zu fahren, nicht der Erste sein zu wollen, Verständnis aufzubringen. Es fällt ihm ausgesprochen schwer!
Schadlos verlassen wir diesen Ort und die unmittelbar sich anschließende Landschaft versöhnt uns. Keine Kamera der Welt kann die Atmosphäre wiedergeben, die uns für die nächsten 300 km umgibt. Genau das ist die Einsamkeit, Weite und Romantik, die wir uns von der Mongolei erhofften. Unterschiedliche Vegetation mit und ohne Grünzeux, wechselnde Bodenbeschaffenheit zwischen Stein- und Sandwüste, weite Ebenen, sanfte Hügel, schroffe Gebirge, überall Viehherden oder badende Kinder am Wasser. Sehr ähnlich klang diese Beschreibung vor
ein paar Tagen, es ist schon so, und doch ist alles wieder anders. An zwei Jurten an der Straße halten wir an und versuchen, mit Mutter, Vater und Tochter in Kontakt zu kommen, was sprachlich nicht unkompliziert ist. Vater und Tochter füttern erst die
Ziegen und verschwinden danach schnell hinter der Hütte, waschen sich die Gesichter
und freuen sich über unser Interesse an ihnen. Winkend verabschieden wir uns voneinander und lassen sie in ihrer sooo anderen Welt zurück. Metertiefe Schlaglöcher und –hohe Bodenwellen umfahrend stoßen wir auf eine weitere dieser Gedenkstätten, von denen wir fälschlicherweise ausgingen, sie seien buddhistischen Ursprungs. An Straßen, Bergkuppen, Flüssen haben Mongolen sie errichtet als Kultstätten, die sogenannten Ovoos, um dort für eine sichere Reise beten zu können. Dreimal muss der Hügel mit drei Steinen in der Hand umkreist werden, um diese anschließend oben abzulegen. Zusätzlich solle man eine kleine Gabe spenden, traditionell ein blaues Band, es kann aber auch ein Wasserschälchen, ein Bonbon oder einfach irgendwas sein. Ungewöhnlich an dieser Stätte ist, dass dort zusätzlich eine
geschmückte Figur steht, das Gesicht ist nicht zu erkennen. So cruisen wir weiter, stundenlang durch absolut grandiose Natur. Plötzlich erscheint am Horizont ein sandfarbener Streifen, wir nähern uns den Sanddünen, in denen wir übernachten
werden können. N47°19.904′ E103°40.092′. Immer näher, immer unwirklicher, wo doch kein Meer in der Nähe ist! Renate, das musst du uns erklären! Kurze Zeit später stellen wir’s Auto mitten im Sand ab, was gut zu machen ist. Obwohl wir nur die LeeTür öffnen, ist binnen Sekunden die HerdSpüleTischDecke aus Sand. STOOOPPP! Also parken wir um, auf der Wiese vor dem Sandabschnitt bläst’s zwar auch noch, aber nicht mehr gar so putzintensiv. Meine Kocherei draußen macht minus 9 Spaß! Der Kocher muss mehrfach kreativ umbaut werden, der Erfolg ist kaum nennenswert. Nach Einbruch der Dunkelheit ist das Essen, das man dann glücklicherweise nicht mehr erkennen kann, fertig. Morgen gibt’s Butterbrote.
Ein Sandspaziergang früh am Morgen – vertreibt die Kuh und Hornhautsorgen… 😉 Mit solch oder ähnlichen Ideen gehen wir auf die Pirsch, Hitten sucht Ruhe, Rolf Schlangen
und ich Eindrücke. Zeitgleich und gleich begeistert kehren wir, unterschiedlich erfolgreich, zurück. Die heutige Fahrbahnbeschaffenheit ist viel weniger schlimm als befürchtet, die Umgebung viel schöner als erhofft. Es wird immer einsamer, kaum noch mit Holperwegen erreichbar, stehen irgendwo im Nirgendwo weiße Jurten. So werden in
Russland diese Zelthäuser genannt, in der Mongolei heißen diese Sorte Zelte Ger. Auf rundem, festen Untergrund werden sie aufgestellt, ein Scherengitter aus biegsamen
Materialien bildet das stabile Seitengerüst, auf das später Gestänge, Filzmatten und
Leinentücher befestigt werden. Vor dem Aufbau wird zunächst das gesamte Mobiliar in die Mitte des Zeltes gebracht, da die gerahmte, immer nach Süden zeigende ‚Haustür’ zu schmal für den späteren Durchtransport ist. Die Anordnung der Möbel ist vorgegeben, rechts des Eingangs ist der Bereich der Frauen mit Kochstelle und Utensilien, links befinden sich Waschbecken und Schränke. Gegenüber des Eingangs ist der Platz des Stammesältesten oder Chefs der Familie, wäre also meiner. Obwohl immer mehr Stein- oder Holzhäuser gebaut werden, bewohnt ein Großteil der ärmeren Bevölkerung die Gers, teils, weil sie sich nicht vorstellen können, anders als im Zelt zu wohnen, teils, weil die Preise für Häuser
unerschwinglich sein sollen. Für uns vermittelt das Leben auf diese Weise Romantik, für
die Mongolen bedeutet es ein hartes Dasein bei Temperarturen zwischen +45° und -35°! Am Stadtrand von Karakorum, der von Dschingis Khan Anfang des 13. Jahrhunderts gegründeten ehemaligen Hauptstadt, steht das erste und älteste Kloster der Mongolei, Erdene Zuu, dem Zentrum des mongolischen Buddhismus, der aus Tibet kam und sich von dort aus landesweit verbreitete. Hitten schaut sich das noch aktive Kloster an, ich halte mir den Bauch und warte auf bessere Zeiten. Am Ufer des nahegelegenen Flusses auf einer grünen Wiese ist unser Stellplatz,
abends kommt eine 6-köpfige Musiktruppe und spielt traditionelle mongolische Musik, die saugut ist! Leider ist ihr Auftritt nur kurz, was wir dem ollen Regen zu verdanken haben.
Um in den Khustayn Nationalpark zu gelangen, dem vorletzten Übernachtungsplatz in der Mongolei, wählen wir den OffroadWeg über 3 Pässe, quer durch die Bergwelt und an einem See entlang. Guter Plan, denn, auch wenn wir meinen, besser geht’s nicht, wird es schon wieder beeindruckender, einsamer, wilder, und auch dort treffen wir auf Menschen, die ihrer gewohnten Arbeit nachgehen. Es fallen uns keine weiteren verbalen Steigerungen mehr ein, vielleicht vermitteln ja die Bilder mehr. Auf dem ersten Pass umkreisen wir die Gebetsstätte, legen Steine ab, treffen 2 Mitfahrer und bewundern schweigend diese wunderschöne Welt. Pferde trinken an einer Wasserstelle,
Schaf- und Ziegenherden weiden, Adler und Milane umkreisen uns …, es hört einfach nicht auf! Dann holpern wir den Pass hinunter und müssen bei einer Familie anhalten,
die gemeinsam bestimmt 100 Schafe mit der Küchenschere zu scheren hat. Vorsichtig frage ich mit Händen und Füßen um Erlaubnis, sie dabei fotografieren zu dürfen, woraufhin mich die Tochter herzlich in gutem Deutsch begrüßt, nach meinem Befinden fragt und mich einlädt, bei ihnen zu übernachten und Fotos? Ja, natürlich, sehr gern. Ich bin sprachlos, was jetzt sooft auch nicht passiert. Sagt jedenfalls Hitten.
Sie studiert Deutsch in der Schweiz und hilft momentan ihren Eltern und Großeltern, die
hier unter einfachsten Bedingungen leben, bei der sommerlichen Arbeit. Wir tauschen EmailAdressen aus, denn besonders ihre Eltern freuen sich über mein Versprechen, ihnen alle Fotos zu schicken. Sachen gibt’s. Alle Nas lang bleiben wir stehen und schauen und saugen auf und sind froh, solche Erlebnisse haben zu können. Die nächste Passfahrt
ist ziemlich prickelig, nicht nur, weil’s arg steil, sondern auch seeehr schräg ist. Ich steige aus, um zu schauen, wie es hinter der Kuppe weitergeht und wir erkennen, dass wir
zurückrollen lassen müssen und besser über den oberhalb der Piste gelegenen, zum Teil
bewachsenen Felsen weiter’fahren’. Dem Erfinder des Allradantriebs ein Lobgesang! Die anschließende steile Abfahrt hat’s ebenfalls in sich, trotz Klimaanlage ist mein Hemd am Ende klatschnass. Voll voller toller Eindrücke treffen wir nach 200 Kilometern Perfektstraße den Rest der Truppe, diskutieren über Gestein und Getier und Umstände und Bier oder nicht. Später am Abend erfahren wir, dass, wenn man Glück hat, Wildpferde zu sehen sind, die von den Bergen zur Tränke ins Tal kommen.
Die, die Lust haben, steigen in zwei für unsere Augen zunächst klapprige ‚Busse’, schau’ selbst. Es stellt sich dann aber heraus, dass es sich um echte UAs handelt, sowjetische Geländebusse, die über eine unfassbare Geländegängigkeit verfügen, die uns der Fahrer und vor allem Hitten mit viel Spaß demonstriert. Tatsächlich entdecken wir eine Herde
die uns wachsam grasend beobachtet. Und wir sie. Kostyas 5-jährige Zwillinge haben, selbst ihre Gäule und finden leise zu sein blöd. Mit dem Auftrag, Heuschrecken zu fangen, sind sie nicht nur beschäftigt, sondern auch still. Großer Vorteil! In gehirnerschütterungsauslösender Fahrt donnern wir zurück, ich bin froh, mitgefahren zu sein.
Nach einem Frühstück im Freien finden wir uns allmählich, aber ungern, mit dem Gedanken ab, die Mongolei morgen zu verlassen. Den letzten Abend verbringen wir in einem weiteren Nationalpark, bei einem Abschiedsessen und vielen sentimentalen Worte über dieses liebenswerte Land, und mit Eiersalat an Pferdeleber. Mende, unser engagierter Guide, schenkt uns zur Erinnerung ein richtig schönes mongolisches Teeschälchen. Das Allerwichtigste allerdings wird die hoffentlich morgen stattfindende Übergabe unserer Reisepässe sein. Zur Erklärung: aufgrund einer aktuellen Änderung der russischen Visabedingungen dürfen Visaanträge nur noch im Heimatland gestellt werden, sodass unsere Pässe vor 8 Tagen mit Kurieren per Express nach Berlin, Bern und Paris transportiert wurden, und von dort aus morgen mit Jörn als Kurier, zurückerwartet werden. Wenn’s denn so ist.
Jörn ist da!!! Mit Pässen und Visa!!! Alle Sorgen sind zerstreut, wir machen uns auf den Weg zur russischen Grenze und erwarten viel Palaver und Diskussionen mit den dienstbeflissenen Grenzern. Auf dem Weg müssen wir die Straße wegen einer Baustelle verlassen und auf eine Sandpiste ausweichen. Den Staub können wir schon kilometerweit vorher sehen…! Zeitweise können wir nicht einmal erkennen, ob ein Auto vor uns steht/fährt.
Vor der Grenze warten wir, bis alle da sind, auf der Wiese trainieren furchtlose Buben für den Reiterwettbewerb zum Nationalfeiertag in einer Woche. Die meisten reiten ohne Sattel, in verrückter Geschwindigkeit galoppern sie den Berg hinunter. Wir müssen los…
Gilching, 8.7.17.Liebe Cornelia, lieber Gerhard. Also was ihr alles zu sehen und erleben bekommt! Wir sind schon dunkelgelb vor Neid. Ist natürlich nur ein Scherz. Trotzdem haben wir den Eindruck, daß ihr dann und wann schon auch einiges einstecken müßt, womit ich nicht nur die Ernährung und das Bauchgrimmen meine.. Aber von nix kommt halt auch nix. Euren gegenwärtigen genauen Standort vermuten wir auf Grund eurer navigatorischen Angaben an der Grenze von der Mongolei zu Russland. Da geht es ja bald wieder zunehmend etwas zivilisierter zu. Wie geht`s denn dem guten Benz mit seinem kaputten Stoßdämpfer? Wir drücken die Daumen, daß keine Folgeschäden (Achse, Lager) auftreten. Also weiterhin gute Reise bis zum nächsten mal. Mit herzlichen Grüßen
Eure
Heinz und Claudia.
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Sieht das toll aus!
So habe ich mir die Mongolei gar nicht vorgestellt. Aber ehrlich gesagt habe ich mir eigentlich auch nie eine wirkliche Vorstellung gemacht 😄
Es sieht jedenfalls fantastisch aus und ich kann nachfühlen, wie ihr Land und Leute genießt. Ich frage mich aber doch, wie ihr es schafft euch und vor allem das Auto mit „Futter“ zu versorgen. Da muss ja schon alles ganz genau geplant sein. Ein gutes Gefühl, dass ihr nicht allein unterwegs seid.
Hoffentlich geht es bald weiter mit solch tollen Eindrücken.
Gute und sichere Weiterfahrt! 😘😘
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