Ostern ist fast vorbei, und uns wird’s ganz flau.
Nicht vom Verzehr zu vieler Eier, sondern von einer uns völlig unbekannten Unsicherheit bezogen auf unsere bevorstehende Reise. Wir werden nach Peking über den Landweg fahren, nicht allein, sondern mit einigen Anderen. Wir machen nie eine Gruppenreise! Wir sind nicht gruppentauglich, überhaupt nicht! Wir wollen selbst entscheiden, wann wir weiterfahren! Unvorstellbar, allabendlich am gemeinsamen Tisch zu sitzen und smalltalk zu halten! Aber, es ist immer alles möglich! Wie auch diese lange Reise. Leo und Marlene, die wir in Norwegen kennengelernt haben, berichteten uns von einer PekingFahrt, und wir waren sofort infiziert. Wie, wenn du einen Mückenstich hast, es hört nicht mehr auf zu jucken. So informierten wir uns genau, unter welchen Bedingungen die Tour stattfinden soll. Kein Konvoi fahren, jeder entscheidet für sich, wann’s weitergehen soll, alle Angebote können sein, müssen aber nicht. Und die eigentliche Problematik, einen Nachtplatz in Asien zu finden, wo man zusätzlich die Sprache weder verstehen noch sprechen noch lesen kann, wird uns enorm erleichtert. Alle Visa sind beantragt, das Auto ist hochgebirgs- und wüstentauglich, geimpft sind wir (und zum Teil hab‘ ich uns …), Kinder und Freunde verabschiedet, nichts spricht gegen die Abfahrt. Oder, sollen wir doch nicht…? Die Vorfreude und
Spannung aufs Ungewisse siegt, wir brechen auf, um einen Teil der Mitreisenden im Messegelände Düsseldorf zu treffen. Die Messe stellt einen Platz zur Verfügung, wo wir schlafen können und mit Grillgut und Bier fürstlich versorgt werden. Kostya, der Chief vons Janze, kommt und es wird ein runder und netter Abend. War ja gar nicht schlimm?!?!! Der Caravan Salon Düsseldorf läd uns zum Frühstücksbüffet in die VIP Lounge der Messe ein, wo man uns dann mitteilt, dass im Anschluss ein paar Journalisten kommen, um uns zur geplanten Reise zu interviewen! Na prima, noch besser wird es, als einer der Verantwortlichen zu uns beiden Clowns kommt und uns davon in Kenntnis setzt, dass
auch das Lokalradio mit uns sprechen möchte. Aha. Kurz drauf erzählen wir erstmal mit einer – für die sozialen Netzwerke der Messe zuständigen – Netten. Durch die Frage-Nachdenk-Antwort-Situation wird uns immer deutlicher, was da auf uns zu kommt und für 4 Monate lang gleich losgeht. Kaum ist dies Gespräch beendet, sitzt Sabrina vom Radio neben uns. Sie bereitet uns behutsam auf ihr Interview vor. Mittlerweile sind alle Pressemenschen eingetroffen und wollen ein Foto der Truppe machen. Draußen bekommen wir Fahnen in die Hände gedrückt, die erst durch die mitfahrende Chinesin Xing richtig herum gedreht werden. Es geht ein Blitzlichtgewitter los, wie man es bestenfalls von einem vernünftigen Bankraub kennt. Oder aus Holly
wood. Viiiiele Kameras!! Wir treffen Sabrina wieder und gehen mit ihr zum Auto, meine Beine wackeln mehr, als mir lieb ist. Dann hocken wir im ‚EssWohnzimmer‘ und beginnen zu plaudern. Ins Mikrofon. Am Ende war’s gar nicht so schlimm! Und nun sind wir fertig, um zu endlich loszufahren – wenn nicht plötzlich der nette Herr vom WDR auch noch ein paar Fragen hätte. Bääm hab ich das Mikrofon in der Hand, bääm startet er die Kamera und möchte
wissen, worauf wir uns am meisten freuen oder eben nicht und so weiter. Ich bin fertig,
er filmt noch im und am Auto, jetzt könnten wir los – wenn nicht die genauso nette junge Frau der ‚Welt‘ auch noch eine paar Worte mit uns wechseln wollte. Es klingt vielleicht alles etwas ungerecht, denn es hat wirklich Spaß gemacht, mit allen zu reden, wir tauschen sogar Telefonnummern und Mailadressen aus! Abschließend läd die Messe nochmals zur Stärkung durch Gulaschsuppe ein, jeder bekommt eine Tasche mit Weingläsern und Reiseproviant in die Hand gedrückt, und mit ganz vielen guten und lieben Wünschen werden wir nach 3 Stunden ins Abenteuer entlassen. Für die ersten Stunden fahren
wir wortlos Richtung Nordosten,
erfüllt von nicht-reiserelevanten Eindrücken. Auf Sturm folgt Schneeregen folgt Hagel, irgendwann erreichen wir Frankfurt an der Oder und finden ein tolles Plätzchen am Stadtzentrum direkt am Fluss.
Wir hören und schauen uns grinsend den Fernsehauftritt an…
Der frühe Vogel ist uns geläufig! Bereits um 8 Uhr stolpere ich zum Bäcker, und wir zotteln erstmal weiter gen Osten. Viele Gedenkstätten lassen erinnern …Ein späteres kleines Frühstück lässt uns wieder einmal über die geplante Tour nachdenken. Ja, ich freu mich weiterhin, ein Abenteuer der besonderen Art!
Da wir wissen, dass die nächsten 2 Tage eher Fahrtage sind, begeben wir uns zielstrebig auf den Weg durch Polen. Der erste Teil ist sehr komfortabel über eine prima ausgebaute Autobahn zu fahren, anschließend wird’s etwas beschwerlicher, da wir an kilometerlangen Baustellen, Kreisverkehren, Städten und Dörfern entlang kommen.
Landschaftlich gefällt es uns sehr gut, hügelig, wilde Sumpfgebiete, weitläufig und gepflegt. Die großen Städte bieten viel Wohnraum auf nicht allzu großem Raum, die
Diskrepanz zwischen arm und reich scheint ziemlich deutlich. Nach 10 Stunden und über 600 km finden wir in Suwalki einen Schlafplatz direkt im Zentrum hinter einer Kirche, wo wir uns gut aufgehoben und sicher fühlen. Heizung an – bei 2 Grad miesen wird’s wohl gestattet sein!
Der Wecker klingelt um 6 Uhr, wir treffen die andere Bande heute Nachmittag in Riga. Vorher wollen wir der Tochter von Freunden eine mitgenommene Tasche bringen. So starten wir früh, laut Navi soll es über 5 Stunden dauern. Nach 30 km verlassen wir Polen und queren die Grenze nach Litauen. Wir sind über den Unterschied der
Landschaftsbilder irgendwie verwundert. Während in Polen vergleichsweise wenig
Landwirtschaft und dafür recht viel Forstwirtschaft betrieben wird, gibt es hier noch vor Frühlingserwachen jede Menge bestellte Felder, darin Weiler mit ein paar Holzhäusern, in den Städten stehen reichlich modern anmutende Gebäude, das Stadtbild ist ein eher anderes. Nur ‚die Natur‘ (im Sinne von Naturschutz und natürlichem Leben von Flora und Fauna) ist im Vorbeifahren schwerlich zu erkennen. Was wir aber ganz besonders schön finden sind
die vielen Storchennester, die fast alle bewohnt sind! Bei Sonnenschein und vorbei an kleineren Schneefeldchen zieht es uns inzwischen beständig weiter nach Norden, mittlerweile sind wir schon bei ungefähr 56 Grad N, und 24 Grad O. Auf den Feldern ist geschäftiges Treiben, bei inzwischen 5 Grad ist der Frühling trotzdem noch nicht angekommen. Unmerklich überqueren wir die Grenze nach Lettland und stellen fest, dass hier wieder ein bisschen mehr Geld zur Verfügung zu stehen scheint. Europäische Autos, größere Häuser und schmucke Alleen. Wir geben die Kathrin’s Tasche beim Nachbarn ab und streifen durch die wirklich hübsche Altstadt von Riga. Viele Baustellen versprechen
eine noch attraktivere Gestaltung der offensichtlich seit dem Mittelalter langsam
gewachsenen einstigen Hansestadt. Mit all den engen Gassen, dicht beieinander
liegenden Kirchen, von Cafés umgebenen Plätzen und bereits aufwendig restaurierten
Häuserfassaden. Bevor wir uns auf den Weg zum Campingplatz machen, gehe ich im Supermarkt einkaufen – und fühle mich überfordert. Der Laden ist so groß wie ganz Düsseldorf mit einem Angebot, das ich nicht mehr überblicken kann. So gebe ich mich mit Gemüse und Käse zufrieden und bin glücklich, noch vor Einbruch der Dunkelheit den Ausgang gefunden zu haben. Ein paar Minuten später stehen wir auf dem Campingplatz, sind überraschenderweise die Letzten, obwohl Hitten dabei ist! Die Uhr wird hier eine Stunde vorgestellt, was wir jetzt auch realisieren. Egal, wir bekommen noch eine Tasche der Messe Düsseldorf, gefüllt mit 2 RiesenHandtüchern und 2 kuscheligen Fleecedecken, was für eine tolle Sache! Die andere Tasche, diesmal von AbenteuerOsten, enthält wertvolle Informationen zu den nächsten Tagen und Wochen. Endlich können die Stühle für eine Weile raus, ist doch egal, dass es nur 6 Grad hat! Ein paar Strahlen Sonne und ein kleiner Sekt sollen ja sehr gesund sein vor dem Abendessen! Sie kocht, wir essen, er spült. Alles bleibt so, wie es war.
Mittlerweile finden wir es sehr angenehm, früh aufzustehen, hat den Vorteil, dass z.B. die Duschen noch leer sind. Versehen mit einem weiteren Navi machen wir uns dann auf die Piste nach Nirza, wo dann auch die allerletzten Mitfahrer sein werden. Über eine für Skifahrer perfekte Buckelpiste cruisen wir an schneebedeckten Feldern und Flüsschen vorbei , bis wir irgendwann bei einem Bäcker anhalten. Den Duft von frisch gebackenem Brot hatten wir schon lange in der Nase. Siehste, da fällt mir wieder ein, dass ich in meinem nächsten Leben die Erfinderin von GeruchsBlogs werde! So etwas kann man nicht beschreiben, das musst du riechen! Mit Brot für ganz Mittelasien schleppe ich mich ins Auto, weiter geht’s. Bevor wir von Zuhause losgefahren sind, haben wir alle Kisten von unnötigem Ballast befreit. Hier führen wir’s quasi, was unnötige Worte betrifft, fort. Wenn wir an einem Storchennest vorbeikommen, reicht die knappe Information entweder: mit einer drin. Oder: mit zwei drin. Oder: mit keiner drin. Reicht doch …
Die letzten paar Kilometer zum Stellplatz holpern wir erst über eine großartige SchotterSchlammLöcherPiste, um dann nach dem Umpflügen einer einsamen Wiese mithilfe des kompletten Allradangebots völlig eingesaut uns abzustellen (einmal im Leben darf das ruhig so sein). Leo und Marlene sind nun auch da und heißen uns mit einem köstlichen Begrüßungstrunk willkommen. Später gibt es detaillierte Informationen zum morgigen Grenzübergang nach Russland, es gibt Vieles zu klären und erklären! Netterweise gibt’s als eine erste gemeinsame Aktion ein landestypisches
und vorzügliches Abendessen! Es wird eindringlich, wirklich sehr eindringlich darauf
hingewiesen, dass in Russland eine absolute Nullkommanull-Promillegrenze herrscht…! Geht klar! So bereiten wir das Auto und uns noch auf den Grenzgang vorher und hauen uns wieder früh in die Heia.
Schon vor 7 Uhr sind alle Autos startklar, unser russischer
Begleiter fährt voraus, wir schleichen gespannt zur Grenze hinterher. Da ist erstmal nix, außer lange Warten. Laaange bedeutet bis zum Rausfahren gut 6 Stunden, macht nix, wir waren drauf eingestellt. Ab dann kann jeder machen, was er will. Wir halten uns genauestens an die Verkehrsregeln und stürzen in jedes Baustellenloch rein und wieder raus. Irgendwann biegen wir in eine kleine Ortschaft ab und sind wirklich beeindruckt. Von der sauberen Einfachheit dieser Holzhaussiedlung mit umherlaufenden Hühnern, trocknendem und geschlichtetem Holz vor der Hütte und sogar einem karibisch anmutendes Grundstück mit Palmen.
Wir kehren zurück auf die Hauptstraße, finden irgendwo in einer größeren Stadt eine
Tankstelle mit Euro 5 Diesel und erreichen nach Stunden über die mit Baustellen
gespickte Hauptstraße den herrlich gelegenen Camping(zwei Plumpsklos, Wasser aus dem Schlauch, keine Dusche)Platz direkt am See. Als Erste! Wunderschön in der Abendsonne! Nach und nach realisieren wir, dass es ein echtes Glück war, als Erster
die Grenze verlassen zu haben. Es ist mittlerweile 21 Uhr und noch immer nicht sind alle Autos angekommen. Draußen ist es saumäßig kalt, so kochen wir bei bullernder Heizung und warten mit echter Spannung auf morgen.
Auch heute Morgen sind Leo und Marlene nicht da. Kostya kommt rum und erzählt, es habe an der Grenze Schwierigkeiten gegeben, da sie wohl zu viel Alkohol an Bord hatten. So hatten sie dann auf Russland keine Lust mehr und seien nachhause gefahren. Wir können es uns nicht vorstellen, warten wir doch einfach erstmal ab. Mit deutlichen Hinweisen
versehen, defensiv zu fahren, Ruhe zu bewahren und entspannt zu bleiben, machen wir uns auf nach Moskau, wo wir heute und die nächsten 2 Tage bleiben werden. Ich bekomme eine russische SIM Karte, somit bin ich internetfähig und erreichbar…! Auf der M9 geht’s wie vorher auch, meistens schnurgeradeaus, vorbei an einer Gedenkstätte am Straßenrand und an kleinen Dörfern, die uns zum Reinfahren animieren. Wir hoppeln über Stock und Stein durch Schneeregen und Wind. Auch hier herrscht recht wuseliges Treiben, wir wollen die Menschen aber nicht fotografieren. Wir staunen darüber, wie die Leute hier leben und arbeiten und in die Schule gehen und ihren Alltag eben betreiben. Trotz der offensichtlichen Armut winken sie uns zu und scheinen sich über den verhaltenen Besuch und ein Interesse an ihnen zu freuen. An manchen Häusern, an denen wir vorbei kommen, scheint es, als seien sie unbewohnt, doch dann qualmt der Kamin – niemand sollte wissen, womit sie dort heizen…
Vorbei an einem Friedhof zotteln wir mit immer gleichbleibender verhaltener Geschwindigkeit auf Moskau zu. In der Zwischenzeit baue ich mein Büro auf dem Schoß auf und beginne Bilder zu laden, um den Blog zu starten. Plötzlich ist die große Stadt nicht mehr weit entfernt, wir studieren die Schilder, die nun nur noch in kyrillischer Schrift zu lesen sind, was erstaunlich gut klappt. Auf den Fahrstil der russischen Bevölkerung und meinen rot angeschwollenen Kragen möchte ich hier nicht näher eingehen. Hitten lässt sich allerdings animieren (ihm wächst quasi ein dickgliedriches Goldkettchen am Arm) und startet die Jagd auf schwarze OligarchenSUVs, die im Verkehr auch nicht schneller sind – auch wenn sie es vielleicht meinen. Alles um uns herum besonders und anders!
Morgen sind wir dann mittendrin! Nur zur Information für die, die’s nicht wissen wollen: 55°48’59“N 37°40’35“E
Hallo ihr Lieben
Jetzt seid ihr also auf eurer Paris Dakar Rallye:-)
Von Herzen wünschen wir euch viele tolle Abenteuer gute Fahrt viel Glück und tolle Mitreisende!
Schaut dass ihr in Usbekistan mindestens Samarkand und Buchara intensiv anschauen könnt! Usbekistan ist wirklich einmalig betr. Architektur.
Sind eben auf der Heimreise von der Toscana, wo wir den Vorsommer genossen haben.
Herzliche Grüsse
Theres und Peter
LikeLike
Gilching 24. 4.17
Liebe Cornelia, lieber Gerhard.
Wir hatten schon befürchtet, daß eure Sendeanlagen nicht mehr in den neuen Regionen funktionieren würden. Statt dessen seid ihr Teil der Fernsehstars geworden und macht in High-Life. Schade, daß wir euch nicht im Fernsehen bewundern konnten, Aber das können wir sicher in dem Film über eure Reise nacherleben. Eure Bilder geben Zeugnis von sehr gegensätzlichen Umgebungen. Da kommt sicher noch eine ganze Menge auf euch zu. Aber bange machen gilt nicht. Ihr seid ja erfahrene Weltenbummler und werdet däm Kind schon schaukeln. Außerdem drücken wir euch ständig sämtliche Daumen. Also weiterhin „Gute Reise“ bis zum nächsten mal. Eure
Heinz und Claudia.
LikeGefällt 1 Person
Schön, dass es wieder losgeht!
Nach tagelangem „Aktualisieren“ drücken, zeigte sich heute endlich ein frischer Artikel, der verschlungen werden wollte. 🙂
Nachdem ihr hier daheim ja schon einen gewissen, man mag fast sagen prominenten Status in Radio und Fernsehen erlangt habt, scheint es wieder so, dass ihr die abgelegenen, einsamen Orte sucht, findet und schätzt. Tolle Fotos der doch so ganz anderen Welt, in die ihr eintaucht!
Ich freue mich auf MEEEHR und wünsche euch gute und sichere Fahrt!
LikeGefällt 1 Person