denn ein Warnruf lässt uns in Windeseile (!) alle offenen Luken und Löcher im Auto schließen, wir kennen die säuberungsintensiven Konsequenzen! Tatsächlich ist der Himmel binnen Minuten gelbbraun, zwischen den Zähnen knirscht es, und die Augen beginnen zu tränen.
Durch das Nordtor gelangen wir in die Altstadt, die langsam wieder zum Leben erwacht. Dank unsrer ChinaMädels und Kostya’s Ideen bestellen wir in einem Restaurant alles, was der Asiat auch essen würde.
Breit gefächert, scharf, süßsauer, als Suppe oder Gemüse, vielfältig und saulecker! Mit so vielen seltenen Langnasen haben die Mitarbeiterinnen nicht gerechnet, sie regeln es aber souverän. Satt und mehr als zufrieden machen wir uns auf den Rückweg – fast. 5 von 9 verschwinden in einem Eingang an der Straße, und obwohl ich nicht neugierig bin, jage ich hinterher und finde sie breit grinsend in einem FußMassageStudio. So
sitzen/lümmeln dann 5 von 9 auf einer Art Canapé, die Füße in Waschzubern, in denen braune teebeutelähnliche Säckchen schwimmen und auf das warten, was passiert. Erst mal nix. Die Füße röten sich in heißem Wasser und als wieder Gefühl drin ist, ziehen die netten Masseurinnen einen raus und beginnen ihr Handwerk. Jedes Gelenk wird
geschüttelt und gelockert, die Zehen im 180°-Winkel vor und zurück und zur Seite bewegt, ihre flinken Finger verschwinden in meinem Fußgewölbe und mir scheint, als könnte ich sie auf der anderen Seite schon sehen. Meine Atmung wechselt von Schnappatmung zu Atemstillstand bis meine persönliche Bearbeiterin erkennt, dass mein individuelles Schmerzempfinden sich von dem der Anderen deutlich unterscheidet. Während diese mit verdrehten Augen tiefenentspannt genießen, versuche ich, meinen Schweißausbruch durch enges Anlegen meiner Arme zu kontrollieren. Am Ende drückt sie rechts und links entlang des Schienbeins, zieht meine Waden seitlich nach vorn und beendet die ‚Massage’ mit Boxhieben den Unterschenkel rauf und runter und rüber und drauf. Doch ist diese Art der Massage schon etwas ganz Besonderes in China, und gesund soll’s dabei auch sein.
Mittlerweile leuchten Laternen an den Restaurants und Geschäften, Musik dröhnt aus vielen Kneipen, das abendliche Treiben wird durch einen Wolkenbruch gestört, eine TukTukFahrt (Personentransport auf meist zu kleinen Dreirädern) bringt uns zum Auto.
Leichtfüßig (!) starten wir morgens die Erkundung von Pingyao, N37°12.668 E112°10.427, ein weiteres Unesco Welterbe. In der Zeit der Ming-Dynastie hatte die Stadt ihre Blütezeit als Finanzzentrum mit mehr als 400 Banken, sogar der Kaiserhof bat dort um Darlehen. Der fliegende Metzger kann regen Absatz verbuchen, denn trotz großer Hitze ist sein Fleisch nicht von grünen Fliegen umgeben. Mit einem kleinen Plastikpropeller hält er sie erfolgreich fern!
Die Altstadt ist von einer begehbaren Stadtmauer umgeben, mit tollem Überblick.
Wir tauchen in die Altstadt ein, schlendern und staunen und schwitzen und erfahren.
Eine Familie bietet uns ihr Haus zum Anzuschauen an, was wir gern annehmen. Das Zimmer, in dem der Ofen unters Bett gebaut ist, die
gute Stube, die funktionelle Küche und der Gastraum – manchmal fällt’s schwer, sich das ganz normale
Leben dort vorzustellen. Der KalligraphieMaler döst oder auch nicht,
die Kinder machen’s beim Fotografieren wie die Alten, der Bodygard hat alles im Blick, die leeren Flaschen sind abends beleuchtet,
TürLatten sind bemalt, und das Taxi wartet auf Kundschaft.
Später kühlen wir uns mit einem göttlichen Yoghurt und frischen Früchten ab, nein, kein Bild!! Abends lädt uns Gabi zum Essen ein, eine netten Geste zu ihrem Geburtstag! Erstmals probieren wir Bambusschnaps und sind überrascht, wie mild er bei satten 45 Umdrehungen doch ist. Satt und schon wieder zufrieden machen wir uns auf den Rückweg – fast. Kaum ein paar Meter gelaufen passieren wir einen Fischladen, zu erkennen an den vielen Wasserbecken, die erstaunlicherweise auf dem Boden stehen. Ok, lassmama schauen, was das auf sich hat. Nix Zoohandlung, FischSpa!! Die chinesischen Genießer halten ihre Füße in die Fischbecken, in denen mindestens 40 kleine Fischlein schwimmen und begeistert an den Füßen knabbern. Ein deutlicher Wohlgenuss für beide Seiten! Ich erinnere mich flüchtig an gestern Abend und wir stimmen beherzt der Idee zu, unsere Füße fischseits reinigen zu lassen. Hitten laufen die LachTränen, als er seine ins Becken taucht, mir ist’s auch kitzelig, aber sooo schön! Was es gekostet hat? 40 Cent für 30 Minuten. Willste auch hin?
Doch die Frage, wer am meisten Spass hat, ist kaum zu beantworten. Vor der Tür sammelt sich eine Menschentraube, Kameras sind auf uns gerichtet, Blitzlichter blitzen und das Gekreische ist von unserem schwer zu unterscheiden. Niemand der nettenFischvermieter macht Anstalten, uns zum Gehen zu bewegen, im Gegenteil, sie bedeuten mit beiden Händen, sitzen zu bleiben und die Fische zu sättigen. ´Is spät geworden´, würde Kalle sagen, jomma nach Hus.
Der frühe Vogel hat sich nochmal ausgestreckt im kühlen Bett, und ich koche Kaffee. In Ermangelung von Brot, Müsli, Yoghurt und Obst gibt’s kein Frühstück. Auf die frischen gedämpften ‚Brötchen‘ verzichten wir, sie schmecken als habe man salzfreies Gebäck mehrere Stunden in lauwarmen Wasser eingeweicht und dann auf den Teller gelegt. Vorsichtig spießrutenfahrend bewegen wir uns mit und gegen TukTuks, Fahrrädern, LKWs und Autos aus Pingyao raus. Der Weg führt um die Megastadt Taiyuan, dem Zentrum der Kohleindustrie weiter in die Provinz Shanxi. China ist immer noch der größte Kohleförderer und Verwerter der Welt, die damit verbundene Luftverschmutzung erleben wir täglich. In Datong, unserer letzten Station
vor Peking, werden wir erschlagen von geballten HochhausAnsammlungen. Wieviel Millionen Menschen mögen da wohl leben? Auch hier hält sich das Verhältnis von in Bau befindlichen zu fertigen
Wohntürmen die Waage. Wir haben Glück, unser Stellplatz liegt in der Parkanlage eines edlen Hotels, mit Bäumen und viel Grün um uns herum. Andreas, einer unsrer Begleiter im Auftrag der Messe Düsseldorf, lädt uns abends zum Abschiedsessen ein, er fliegt in 3 Tagen zurück, schade. Das Essen ist wieder großartig, die Laune einzelner Kellnerinnen nicht, was wir nur am Rande bemerken. Es wird ein recht persönlicher Ausklang seiner Reise.
Das für heute bestehende Angebot, eine weitere Besichtigung von Grotten und Buddhas lehnen wir dankend ab, der Tag gehört dem Nixtun und uns. Wir
kramen und reinigen und waschen und kochen und backen Brot. Am Ende bleibt vom
Brot noch ein Drittel übrig, der Rest findet einige ProbierAbnehmer. Nachmittags überlegen wir, in die alte Stadt zu gehen, als wir allerdings erfahren, dass sowohl die Stadtmauer als auch die Häuser rekonstruiert sind, bleiben wir zuhause und dackeln
durch den Park – sehr übersichtlich. Unterhalb unseres Stellplatzes sind noch weitere Parkanlagen, die von vielen bewegungsfreudigen Chinesen besucht werden. Sie tanzen zu unterschiedlichen Rhythmen entweder langsame Tänze zu zweit, moderne hopsendeJederFürSichTänze oder HipHop auf asiatisch, es herrscht jedenfalls eine tolle und ausgelassene Stimmung. Jede Alters- und Konditionsstufe ist dort vertreten, was einfach klasse ist. Um 22 Uhr werden allmählich die Lichter gelöscht und die Show geht zu Ende.
22.6.17. Irgendwie ein besonderer Tag, denn heute erreichen wir Peking. So richtig glauben können wir nicht, dass wir am Umkehrpunkt unserer Reise ankommen werden. Fast 16000 km liegen hinter uns, weder Mensch noch Fahrzeug hat Schaden genommen, und es wird noch eine ganze Zeitlang weitergehen! Wir fragen uns, ob sich unsere Erwartungen erfüllt haben. Welche Erwartungen? Noch vor einem halben Jahr wussten wir nicht, dass wir im Juni mit unserem Auto in Peking einfahren würden, was sagte uns denn bis dahin Kasachstan, Usbekistan oder Kirgistan? Eher sind wir tief beeindruckt
von wilden Landschaften und einsamen Wüsten, vom tibetischen Hochland und dem Himalaya, von Dörfern und ganz besonders von den Menschen mit ihrer Offenheit, Herzlichkeit und Interessiertheit. Und von der für uns toleranten Ausprägung eines offenen, gütigen und leisen Islam, der in Koexistenz mit dem Buddhismus und anderen Religionen gelebt wird. Andererseits trafen wir natürlich auch auf Armut und Umweltverschmutzung sowie auf die Auswirkungen eines totalitären Systems, die spürbar den Alltag des Einzelnen bestimmen. Dennoch erscheinen uns die Menschen, vielleicht aufgrund ihrer neu erlangten Freiheiten, nicht unzufrieden oder gegängelt. Beijing – Peking empfängt uns fulminant. Am Hotel-Stellplatz, wo wir die Autos parken und selbst im Hotel nächtigen werden, trommeln sie den LöwenTanz und heißen uns,
nach der langen Fahrt herzlichst willkommen. Fotos werden geschossen, Fragen gestellt, wir fühlen uns eigentlich nur verschwitzt, usselig und total zufrieden. Netterweise wird abends zum Essen geladen, wenn ich jetzt sag‘, zu bayrischem Schmaus kann man’s mir
gern glauben: Schweinshaxen, Sauerkraut und Weißbier. Is hier China oder was??
Hier ist es gerade sehr heiß.
Wir schwitzen wie Chinareisende……aber die Schweinshaxe lassen wir aus.
Orts-und Ländernamen wie Smarkand, Taschkent, Usbekistan und Kirgistan gehen mir jetzt dank Ihres Berichtes locker, ohne Stottern, über die Lippen. Am besten hat mir aber Tibet gefallen.
Das Bild des Duschzeugs vor den ausgegrabenen steinernen Grabbegleitern war eindrucksvoll, Herzlichen Dank!
Weiterhin viel Reis und weniger heiß!
Ich muss jetzt den Sprenger im Garten umstellen…..
Maria Quack
LikeGefällt 1 Person
Gilching den 23.06.17Liebe Cornelia, lieber Gerhard. Habt dank für den neuen Bericht. Wir können nur staunen, was ihr alles erlebt. Fußreinigung mit Hilfe von fleischfressenden Fischen, wer kann sich denn sowas leisten! Nun ist der Wendepunkt erreicht, nach 16000 km, Respekt! Seid ihr denn noch aufnahmefähig für noch einmal 16000 km neue und wahrscheinlich ähnlich interessante und anregende Erlebnisse? Und werdet ja nicht leichtsinnig!! Eure Route ist ja gespickt mit hochinteressanten Namen, wir lassen uns überraschen. Weiterhin gute und glückliche Reise wünschen Euch
Eure
Heinz und Claudia.
LikeGefällt 1 Person
Ihr Lieben, ich hinke völlig hinterher und erlebe nun noch zeitversetzter als sonst eure tolle Reise. Mutig finde ich eure Entscheidung die Füße in ein Becken mit hungrigen Fischen zu stecken. Aber es scheint sich wohl gelohnt zu haben. 😄
Wie schnell doch die Wochen ins Land ziehen, nun seid ihr schon wieder auf dem „Heimweg“, der natürlich auch noch viele Erlebnisse und Abenteuer bereit hält. Aber ich freue mich auch darauf, dass wir uns nun bald mal wieder sehen!
Ich werde nun den Beijing Blog lesen, auf den ich mich schon ganz besonders freue!
LikeGefällt 1 Person