Morgenstund ist ungesund…

img_3257So frühstücken wir in aller Ruhe und stellen fest, dass es bereits 11 Uhr ist! Ok, das sei wohl mal gestattet… Auf einem DrahtgestellToaster brutzeln wir unser altes Brot auf – und ich beim GestellDrehen meine Finger! Die Brandblasen lassen sich hervorragend am kalten Marmeladenglas kühlen! Nein, kein Foto!Eigentlich wollen wir vor der Abfahrt unseren Trinkwassertank füllen, lassen’s dann aber doch sein, denn das Wasser ist ziemlich braun. Es sei zwar Trinkwasser, wir sind aber skeptisch und hoffen auf eine andere Quelle. Wir kurven von einer Halbinsel zur nächsten, bei heftigem Sturm und Regen. Es stört uns wenig, die Landschaft entschädigt. Henningsvær, ein Dorf am Ende einer Landzunge, sieht nett aus, bei näherem Hinschauen aber erkennen wir wieder, dass die Häuser, wie so viele andere zuvor, zunehmend verfallen. Dabei könnte man mit ein bisschen Farbe und/oder ein paar neuenfullsizerenderHolzlatten die Häuser und damit das Stadtbild deutlich aufwerten. Zurück auf dem Parkplatz lernen wir ein österreichisches Paar kennen, die uns begeistert von ihrer bevorstehenden Fahrt über Land mit dem eigenen Camper nach Peking erzählt. Ihrer Meinung nach könnten wir’s uns ja auch überlegen, es geht erst im April los und es seien noch Plätze frei … Und schon haben wir für den Rest des Tages neue Gesprächsinhalte!

Is doch spannend, in die Mongolei wollte ich immer schon, aber, wir kennen uns doch gar nicht, so viel Geld verjubeln, was machen wir nach der Ankunft in Peking, weiter über Thailand und Malaysia nach Singapur…?! Als wir dann abends einen Platz am Atlantik finden, treffen wir uns zu allem Überfluss noch einmal! In Unstad. Auf dem Campingplatz, der nichts anderes als eine besonders bubbelige, schräge, eingezäunte Wiese ohne Facilities ist, und den Namen „Camping Arctic Surf“ trägt. Tatsächlich stehen hier zwei deutsche VW California mit 4 Leuten, die sich im 7 Grad warmen Wasser auf ihren Brettern austoben. Witzigerweise wird genau dieses Plätzchen später in einem Werbefilm über die Lofoten erwähnt und mit Filmchen in Schnee und Eis garniert.fullsizerenderHitten dreht seine allabendliche Runde und wird von ihnen zu einem köstlichen Bier eingeladen und bekommt tausende Informationen zu dieser Reise. Uns kommen genauso viele Argumente dafür wie auch dagegen. Keine leichte Entscheidung, sowieso nicht heute Abend.

Wir wühlen uns, also das dicke Auto wühlt uns, souverän aus Matsch und Mocke, nicht ohne ein paar Gedanken und Adressen mit den Österreichern auszutauschen. fullsizerenderWeiter geht’s südlich bis ans Ende der Lofoten, wo wir an einem Felsen das Wahrzeichen dieser Inselgruppe finden: Mann, Boot und Fische! fullsizerenderDa das Wetter hier so bleiben und auf dem Festland auch längerfristig besser werden soll, werden wir heute Abend mit der Fähre nach Bodø (N 67°17’02“ E 14°22’57“) übersetzen. Vorher schauen wir uns Nusfjord (N 68°02’07“ E 13°20’05“) an, eines der wenigen ursprünglichen und typischen und noch erhaltenen Fischerdörfer. Die ehemaligen Fischerhütten, die auf Stelzen stehen, sind heute zum Verkauf angeboten (ca. 250.000 €) oder werden als Ferienhaus vermietet. Vielleicht liegt es tatsächlich an mangelnden finanziellen Mitteln,

in den Erhalt der Hüttchen wird allerdings nicht besonders viel investiert. Groteskerweise lesen wir, dass vor einigen Jahren eine Gruppe von Architekturstudenten mit ihren Dozenten eingeladen wurde, um gestalterisch aktiv zu werden. Als Ergebnis entstanden tatsächlich sehr schöne Holzbänke und –tische vor einem Restaurant, die sozusagen aus je einem zusammenhängenden Bretterelement bestanden, oder sie bauten einen Sauna- und Spabereich, ebenfalls mit Bänken und Blick auf den Fjord. Zweifelsfrei sehr interessant, allerdings im Kontext des sonstigen Dorfzustandes bezüglich Sauberkeit, Renovierungsbedürftigkeit und extremer Verkotung durch Möwen erscheint uns dieses Projekt ohne das Umfeld installiert zu sein. Diese Beschreibung spiegelt natürlich nur unseren subjektiven Eindruck wider, eine objektive Beurteilung können wir gar nicht abgeben.fullsizerenderAber einen Kramladen gibt’s auch! Es riecht genauso, wie es aussieht, nach Fisch, Bonbons und frischem Brot. Ungewöhnliche Architektur finden wir auch während der Weiterfahrt in einem WinzDorf, kein Mensch zu sehen, aber tolle Häuschen!

Reine (N 67°55’58“ E 13° 05’08“), die wohl wegen ihrer herrlichen Fotomotive aus der Ferne schönste Stadt der Lofoten, versinkt in Wolken und Regen. Die kurzen trocknen Momente fullsizerender fullsizerenderversuchen wir festzuhalten. In Moskenes am Hafen müssen wir zwei Stunden bis zur Abfahrt warten, zur Beruhigung koche ich ne gute Portion Pasta…! Das Schiff sieht vielversprechend aus. An Bord wird Hitten dann doch nervös und schwitzt sein T-Shirt komplett durch. Wir stampfen und krängen und wanken bis zur nächsten Insel Værøy, der Kapitän steuert sein Schiff im Dunkeln abenteuerlich, aber souverän zwischen den Klippen hindurch, und dann weiter nach Bodø in 5 Stunden. Die letzten 2 ½ Stunden verschläft der NichtSeeKranke friedlich auf 4 Sitzbänken. Wir fahren aus dem Hafengelände und betten uns wenig später irgendwo zur Ruhe.

Das erste morgendliche Ziel ist der Saltstraumen etwas weiter östlich. Auf dem Weg dorthin müssen wir einfach anhalten und Bilder machen!

Es ist der stärkste der Welt, bei dem innerhalb von 6 Stunden zwischen Ebbe und Flut 400 Mio. Kubikmeter Wasser hindurchströmen. img_3171Dabei entstehen bis zu 4 m tiefe Strudel und Wirbel. img_3175Ein tolles und lautes Schauspiel! In aller Ruhe genießen wir unterwegs die Fjord-, Fluss und Felslandschaft und versuchen, schon etwas früher am Tag eine Schlafe zu finden. Die Straße ist gut und plötzlich gibt’s Schilder, die wir in ähnlicher Form schon einmal gesehen haben! Abgebogen auf einen großen Schotterplatz und da ist er, der Hinweis  des nördliche Polarkreises. Ein treffliches TouristenEinkaufsZentrum…! Trotzdem schön!

In einem kleinen Kaff hinter Mo I Rand parken wir an einem Fjord, der wie ein See aussieht img_3191

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und haben’s richtig nett. fullsizerenderSogar das Kochen fällt aus, weil wir uns wieder mal abends draußen aufhalten und uns unterhalten können (bei lässigen 13°C) und die, nach hämmernden Bauarbeiten einkehrende Stille auf uns wirken lassen. Auch unser mobiler Gemüsegarten lebt auf und noch und grünt.fullsizerender

Wieder stellt sich das Problem des Trinkwassers. Heute brauchen wir’s endgültig. Leider gibt es auch aus diesem Trinkwasserhahn nur bräunliche Plörre. Vielleicht ist es ja trinkbar, aber wollen wir uns wirklich den Tank damit füllen? NEE! An der nächsten Tankstelle ist es gar kein Problem, im Gegenteil, der Tankwart zeigt uns sogar einen Hahn mit ‚gutem’, klarem Wasser! Was für ein entspanntes Gefühl: Wasser- und Benzintank sind gefüllt, Abwasser weg und Kühlschrank voll! fullsizerenderimg_3218
So schleichen wir mit maximal erlaubten 70 – 80 km/h über die E6, Hitten ist höchst erfreut…, mir isses egal! fullsizerender So viele tolle fullsizerenderEindrücke rechts und links der Straße, Schnee und Gletscher, Wasserfälle, sonnengestreichelte Hügel und unergründliche Seen. Echt ma, wunderschön und wild romantisch! Es gibt ein wenig ab der Straße zwischen Bäumen und Sträuchern gelegen, ein wunderhübsches Rastplätzchen, vollausgestattet mit sauberer Toilette und Wasser. Das wir okkupieren. Perfektes Parkieren und Dormieren!

Kleines Frühstück und ab gehta. fullsizerenderIch hab einen Stellplatz in Trondheim (N 63°25’35“ E 10°22’57“) gefunden, den wir uns erst einmal anschauen wollen – und glauben’s nicht! Die Innenstadt ist über eine kleine Brücke am Ende des Platzes zu Fuß in wenigen Minuten erreichbar, und der Platz selbst ist offiziell für Camper deklariert! img_3300Es fällt uns generell auf, dass in Skandinavien jedem einzelnen Fahrzeug viel Park- und Bewegungsraum zur Verfügung steht, mitten in der Stadt, ähnlich wie in Stockholm. Auto abstellen, Wanderschuhe an, Regenjacke einfach nur mal so mit, und schon humpeln wir zwei Krücken los. Hitten hat Sehne, ich hab’ Hüfte, so ist das wohl in unserem Alter 😦 ! Ätzend! So kriechen wir langsam in die Stadt, die erste Stadt in Norwegen, die uns richtig gut gefällt. Besonders beeindruckend ist der Nidaros-Dom aus grau-blauem Seifenstein (noch nie gehört…), der

img_3254von Weitem schon zu sehen ist. Wir setzen uns auf eine Bank gegenüber und lassen wirken. Offensichtlich ist die Kathedrale ein beliebter HochzeiterOrt, denn die Paare in rauschender Garderobe und strahlendstem Lächeln geben sich die Portaltür in die Hand. Blinkende Autos holen die zig-fach fotografierten Eheleute ab, tränenüberströmte Angehörige geleiten sie. Uns treibt’s ins ehemalige Arbeiterviertel, das liebevoll restauriert ist, bunte Speicherhäuser am Fjord, Kopfsteinpflasterstraßen, Cafés und Kneipen. Es wirkt offen und einladend. Auf dem Heimweg gehen wir nochmal an der Kathedrale vorbei. Das Portal öffnet sich, die Orgel begleitet den Ausgang des Brautpaares und es erscheinen zwei, in lange Roben gekleidete, blonde Bräute! Die beiden geben ein schönes Bild ab, aber dass sie kirchlich getraut werden können ist uns neu! Mit dieser Erkenntnis eiern wir klagend nach Hause, es beginnt recht heftig zu regnen, wir bereiten uns ein kleines Nachtmahl und hauen uns mit unseren Büchern ins Bett! Wunderbar gemütlich!

Es ist Sonntag, der Tag der Entspannung und Rekreation – aber wovon? img_3242Frühstück machen wir mal ganz langsam, bei strömendem Regen seeehr angenehm. Macht nix, mittags soll’s besser werden, was auch geschieht. Im Sonnenschein (!!!) humpelstilzien wir in die Stadt und sind begeistert!
Die schöne Holzbrücke über den Fluss mit den Speicherhäusern beidseitig spiegeln eine Ruhe wider, die uns beeindruckt! Alte, restaurierte Häuser, bearbeitete Gärten und Wege am Stadtrand entlang, wie heimelig! Es macht Spaß, immer wieder auf einer Bank zu hocken und nur zu beobachten. Auffällig sind die vielen Sprachen, die wir hören. Natürlich japsisch, aber vorrangig neben norwegisch ist englisch. Nach einigen Stunden gehen wir voller Eindrücke nach Hause, denn Abendstund trägt die Sonne im Herzen – oder wie heißt das nochmal?img_3282

 

Ein Kommentar zu “Morgenstund ist ungesund…

  1. Gilching, den 12.9.16

    Hallo Ihr Zwei Beiden.
    Wir bestätigen den Erhalt des neuesten Kapitels eures Reiseberichts, ausführlich und mit wunderschönen Photos. Die topographischen Daten erleichtern uns eure Ortsbestimmungen, denn unser scandinavisches Kartenmaterial ist leider sehr dürftig und weist viele der von euch genannten Orte garnicht auf. Die Stimmung, die sich dem Leser zwischen den Zeilen mitteilt läßt erkennen, saß es euch sehr gut gefällt. Den schönen Bildern ist zu entnehmen, daß die Landschaft ebenfalls sehr beeindruckend ist. Den gelegentlichen Regen muß man wohl oder übel in Kauf nehmen, zum Glück wechselt das Wetter in den Küstenregionen meist wieder schnell von schlecht auf schön.Wie haltet ihr`s denn mit dem Gießen des Autogemüsegartens? Einfach bei Bedarf das Schiebedach öffnen oder im Handbetrieb mit Gießkanne? Eure Überlegungen einen Betriebsausflug nach Asien,Mongolei und Japan zu veranstalten sind sicher sehr verführerisch, aber in diesen stellenweise doch sehr unsicheren Zeiten?? Wie sieht es da im Falle eines Falles mit der medizinischen Versorgung aus? Daß ihr z.Zt. schon an Krücken geht das nehm ich euch noch nicht ab. Wie geht es jetzt weiter? Denkt ihr entfernt schon an Heimkehr, oder habt ihr noch große Pläne? Jedenfalls weiterhin gutes Gelingen und Gesundheit. Und freut euch des Lebens!
    Mit herzlichen Grüßen
    Eure Heinz und Claudia.

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